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Bremerhavens City und Ocean Park:

Möglichkeiten einer Verkehrsanbindung über die Schiene

Ergänzungsschreiben an die Tourismus-Förderungsgesellschaft Bremerhaven mbH

An die Tourismus-Förderungsgesellschaft Bremerhaven mbH z.Hd. Herrn Sigismund von Dobschütz
Van-Ronzelen-Straße 2
27568 Bremerhaven

Sehr geehrter Herr von Dobschütz

Vielen Dank für die schnelle Antwort und das ausführliche Material einige Tage später.

Daß die Schienenanbindung hinter den Kulissen zumindestens diskutiert wurde, ist zwar einerseits positiv zu hören, weil es zeigt, daß man dieses wichtige Thema nicht einfach vergessen hat. Andererseits wäre mir das "Vergessen" fast lieber gewesen, weil man dann neue Entscheidungsprozesse hätte in Gang bringen können. Auch wenn die Anbindung aus Finanzgründen nur aufgeschoben wäre, dann wäre es eventuell wenigstens nicht langfristig verbaut worden. Aber offenbar wurde sie aus Platzgründen nicht weiterverfolgt. Das wiederum heißt, daß man den für eine Bahn notwendigen Platz bebauen möchte. Zumindestens dies möchte ich nach Möglichkeit vermeiden, weswegen ich noch ein paar Argumente nachreiche. So günstig wie jetzt (Aufbruchstimmung, Synergieeffekte beim Bau, Vielzahl von Fördertöpfen) bekommt man so schnell keine Verbesserung der Infrastruktur mehr.

Sollte man dann eines Tages doch die Notwendigkeit einer Anbindung (insbesondere in der von mir vorgeschlagenen Art einer neuen Nord-Süd-Achse) sehen, dann ist der einfachste Weg nicht mehr möglich. Man muß dann, weil man anfangs am Platz gespart hat, den MIV sehr stark einschränken oder einen nachträglich sehr teuren Tunnel bauen. Oder die Züge enden weit vor dem Park bei den MWB, was dann wirklich kein Vorteil gegenüber einem Bustransfer wäre. Vielleicht bleibt die Westvariante vor dem Tropicum als Trasse zweiter Wahl halbwegs unverbaut, so daß man die Fernzüge dort hin führen könnte, während man den Regionalverkehr mit einem Stadtbahnsystem in die City führt. Letzteres erfordert allerdings höhere Investitionen in Fahrzeuge und Strecke (Elektrifizierung), die bei einigen Strecken (bspw. nach Bremervörde) vermutlich nicht rentabel wären, so daß sie auf lange Frist von einer solchen Durchbindung in die City ausgeschlossen wären. Die vorgeschlagene Lösung ist ja gerade deswegen interessant, weil sie mehrere sehr unterschiedliche Nutzungsgruppen miteinander kombiniert, die für sich alleine betrachtet vermutlich nicht rentabel wären. Sie ist nutzbar für Sonderzüge, einzelne reguläre Fernzüge, Regionalverkehr sowohl dieselbetrieben als auch elektrisch, sowie später auch eine Straßenbahn. Andere nachträgliche Lösungen wären teuer und/oder halbherzig.

Ich weiß nicht, wie genau eine Bahnanbindung untersucht wurde. Aber ich versuche mich mal an einer Abschätzung. Aus den Bildern der Ocean Park Modelle lese ich (als in Bildauswertungen geübter Vermesser...) heraus, daß für den Individualverkehr Platz in der Größenordnung von ca. 27 m +/- 1-2 m reserviert werden incl. Baumreihen. Letztere mögen den Hinterhofcharakter der Barkhausenstr. verstecken und so die Stadtplaner begeistern. Für den Fußgängerverkehr wird eine stark befahrene Straße trotz Allee nicht attraktiv werden. Sie werden eher den Bummel durch das Hafenstädtchen bevorzugen und ich nehme an, daß dies von den potentiellen Geschäftsleuten dort gerne gesehen wird. Von daher wäre es sicher angebrachter, den knappen Platz in den ÖV zu investieren und Verschönerungen geringer ausfallen zu lassen. Vier Fahrspuren à 3 m, noch mal 3 m für Abbiegespuren bzw. zwischendrin als Grünstreifen, dieser dann mit Bäumen, 3 m Geh-/Radweg auf der Ostseite, 2 m Radspur auf der Westseite östl. der Bahn und 2 m Gehweg westl. der Gleise, gleichzeitig Puffer zu den Häusern, wäre mit zusammen 22 m für den IV eigentlich ausreichend. Falls man auf den vierspurigen Ausbau ab Lloydstr. verzichtet, sogar noch weniger. Mit vier Spuren erhöht sich m.E. die Gefahr, daß die Lloydstr. als hafenzufahrt genutzt wird, noch stärker.

Eine zweigleisige Bahnstrecke wird meist mit 13,7 m Breite angegeben. Dies reicht dann, laut DB-Broschüre über die Neubaustrecken, auch für einen ICE mit 250 km/h. Der ICE soll zwar auch zum Ocean Park fahren können, wenn er will, aber nicht mit 250. Kurz vor dem Bahnhof zwischen Schleusenstr. und Klußmannstr. reichen auch innenstadtgemäße Geschwindigkeiten. Mit dieser Randbedingung sollten auch straßenbahnähnlichere Maße erreichbar sein. Die 6,7 m, mit denen Straßenbahnen geplant werden, wird man wegen des größeren Lichtraumprofils eines Zuges wohl nicht erreichen, aber ca. 10-11 m von Zaun zu Zaun sollten realisierbar sein. Wenn man aus der Literatur Gleisabstände, Lichtraum, Schutzräume und Platz für Oberleitungen und Signale aufaddiert, kommt man in diese Größenordnung.

Ich kenne zwar nicht die Vorschriften im Detail, aber doch einige Strecken im Umland Karlsruhes. Die AVG als Betreiber des Stadtbahnsystems fährt sowohl auf Strecken nach Eisenbahn-, wie nach Straßenbahnrecht. Erst vor paar Tagen habe ich bspw. erfahren, daß die Ortsdurchfahrt Linkenheim (eingleisig, nominell durch wenige Millimeter Erhöhung eigener Gleiskörper, praktisch aber Autoverkehr auf den Gleisen) offenbar nach Eisenbahnrecht gebaut wurde! Gut, sie wird nur von Stadtbahnen und nicht von "richtigen" Zügen befahren. Andere Strecken, die neben Stadtbahnen auch Güterverkehr und Dampfzugsonderfahrten haben, sind aber an einigen Stellen deutlich schmaler als die 13,7 m, am Ettlinger Schloß sogar nur um 9 m von Zaun zu Zaun. Je nach Betriebskonzept scheint das Eisenbahnrecht durchaus flexibel an die Situation vor Ort anpassbar sein.

Wenn man mal die Bremswege als Maßstab nimmt, so hat ein ICE mit seiner Schnellbremsverzögerung von 1,05 m/sec2 bei ca. 26 km/h dieselben Bremswege wie Autos mit der bekannten Fahrschulformel (v/10)2, im Vergleich mit Straßenbahnen, die sich auch im Straßenraum bewegen, wäre die Zughöchstgeschwindigkeit evtl. noch etwas höher. Mit entsprechend nach Bremsverzögerung festgelegter Höchstgeschwindigkeit, die 1 km vor dem Bahnhof nur gut eine Minute kosten dürfte, sollten straßenbahnähnliche Sicherheitsstandards und Maße machbar sein, wenn man unbedingt Platz sparen möchte. Sicherheitskritischere schwere Güterzüge fahren ja nicht auf diesem Stadtabschnitt. Bahnstrecken mit derart eingeschränkten Betriebsgenehmigungen wären eine genauere Prüfung wert. Falls Rasengleise aus dem Straßenbahnbau auch für Eisenbahnen zulässig sein sollten, dann bleibt auch der Grünflächenanteil optisch einigermaßen gleich.

Wenn man ca. 11 m des ÖV zu den reduzierten 22 m des IV hinzuzählt, kommt man auf ca. 33 m, also schätzungsweise 6 m mehr als heute vorgesehen. In der Baumasse des Blauen Planeten hat man ja durchaus noch Umschichtungsspielraum nach oben und unten, um einen Bahnhof unterzubringen (und auch das große Kino könnte teilweise den Luftraum über der Bahn nutzen). Zwischen Blauen Planeten und Schleusenstr. liegt ein runder Kilometer. Das ergibt einen Platzbedarf von nicht mal einem Hektar bzw. nur rund 1% der Gesamtfläche. Die Linienführung der östlichen Kaje des Neuen Hafens sieht danach aus, als wenn man sie komplett neu bauen möchte, generell 10 m weiter in den Hafen rein oder ein einzelner größerer Vorsprung und man hat nicht nur den Platzverlust ausgeglichen, sondern evtl. auch noch ein Loch für Erdaushub gefunden... Am Nordende des Harbour Village ist auch noch etwas Luft für Erweiterungen.

Notfalls könnte man auch auf die Zweigleisigkeit auf dem Stadtabschnitt verzichten. Ein 30- bis 60-Minuten-Takt Bremervörde-Cuxhaven, Sonderzüge vom Norden und Bremer Nahverkehr im 20-min-Takt vom Süden könnte notfalls auch eine teils eingleisige Strecke bei moderner Sicherungstechnik verkraften. Innerstädtischer Schienenverkehr müßte dann wohl auf eine Wiederentdeckung der Straßenbahn warten. Andere, wenn auch teure Möglichkeiten wären Tieflage oder Aufständerung der Bahn. Letzteres würde neben der Lösung der Kreuzungsproblematik auch einen wetterfesten Gehweg bringen.

Nicht zuletzt macht auch die vorgeschlagene Kombinutzug durch Fern- und Nahverkehr die Nachteile durch Platzbedarf mehr als wett. Der Platzbedarf der Bahn wird ja deswegen negativ angerechnet, weil man das Bahngelände selbst nicht mehr wirtschaftlich vermarkten kann und es keinen direkt sichtbaren Gewinn abzuwerfen scheint. Bei einer reinen Nutzug für wenige Sonderzüge mag dies so sein. Durch die Mitnutzung des Nahverkehrs sieht die Rechnung aber anders aus. Durch den so viel dichteren Verkehr entstehen Einnahmen durch Nutzungsgebühren der Nahverkehrsunternehmer bzw. die Fahrscheine der Kunden. Ein Erfolg der verbesserten Cityanbindung beschert dem Handel Mehreinnahmen, an denen die Stadt durch Steuern beteiligt ist. Eine Bahnstrecke ist so in ihrer Gesamtheit gesehen keine unwirtschaftliche Platzverschwendung mehr.

Die Beschwerlichkeit des Weges durch den Überseehafen kann vermieden werden wenn man das Zollgleis nutzt (bzw. dessen Trasse, falls die Gleise auch abgebaut wurden), das den Hafen großräumig umgeht. Der Zeitaufwand ist natürlich nicht gering. Die 10 Minuten aus meinem Papier sind wohl sehr optimistisch. Wenn ich aber die Skizze des Gewerbegebietes Carl-Schurz-Kaserne richtig interpretiere, sind die Erzverladegleise obsolet und man könnte die Kurve zum Zollgleis begradigen und beschleunigen. 12 Minuten sollten aber als Endziel machbar sein. Für moderne Triebwagen, die leicht genug für die Kennedybrücke sind und Nahverkehr und P&R anbieten, entfällt der Umweg ja. Bei dem Gedanken an einen Bus-Shuttle sollte man auch bedenken, daß in einen kompletten Sonderzug ziemlich viele Leute passen. Sollte das Zugmarketing einschlagen, dann braucht man ein ganze Schar von Bussen, um die Leute zum Park zu schaffen. Entsprechend wird das ganze Handling der Volksmassen beim Umsteigen auf die vielen Busse etliche Zeit verschlingen, was einen evtl. Zeitvorteil durch die kürzere Strecke wieder auffrißt. Die Wege zwischen Bus und Zug sind auch nicht zu vernachlässigen. Außerdem brauchen viele Busse ebensoviele Fahrer, die bis zum nächsten Sonderzug Däumchen drehen. Das zahlenmäßig weit geringere Zugpersonal dürfte für 12 Minuten Mehrweg wesentlich preiswerter sein. (Zu den Regelzügen der Bahn mit wenigen Fahrgästen zum Park sieht die Wirtschaftlichkeit eines Bus-Shuttles gegenüber einer Verlängerung der Züge in die Stadt womöglich aber anders aus.) Ein Park&Ride-Platz bei Hohewurth wiederum kann durch den "Mitnahmeeffekt" der regulären Nahverkehrszüge Kosten sparen gegenüber bspw. einem Parkplatz am Zubringer Mitte, der an keiner regulären Buslinie mit adäquater Kapazität läge, vom erhöhten Personalbedarf von Buslinien ganz abgesehen, Schienenverkehrsmittel haben ja ganz andere Kapazitäten.

Ich weiß leider nicht, ob auch solche Nebeneffekte in die Überlegungen zu einer Schienenanbindung eingegangen sind und ob überhaupt eine Kombination mit dem Nahverkehr mit in die Rechnung aufgenommen wurde, der diese ja vollkommen verändern würde. Zwischen wenigen Sonderzügen und einem dichten Nahverkehr liegen ja Welten bezüglich der Wirtschaftlichkeit von Ausbaumaßnahmen. Auch eröffnet die Kombination mit dem Nahverkehr weitere Fördertöpfe (GVFG, Regionalisierung). Deswegen möchte ich in dieser Sache nochmal nachfragen und nachhaken. Bei vielen technischen Planungen, egal wo und welcher Art, habe ich leider oft den Eindruck, daß viel zu oft nur eine Standardplanung gemacht wird, die auf diesem Gelände sicher fehl am Platze wäre. Außergewöhnliche Chancen wie der Ocean Park erfordern eben auch mal außergewöhnliche Betrachtungsweisen. Ohne etwas Querdenken würde es bspw. die Karlsruher Stadtbahn als Kombination von Eisenbahn und Straßenbahn nicht geben, von der man vor einigen Jahren noch gesagt hat, daß sowas nie ginge.

Sie schreiben ja selbst, wie stark sich die Verkehrsströme innerhalb von drei Jahren verlagern können, dies obwohl die Anbindung Bremerhavens an den Fernverkehr alles andere als berühmt ist. Schon während des Studiums '81-'86 habe ich die Strecke Karlsruhe-Bremerhaven in rund 6:20 geschafft. Anfangs eine Verbindung täglich zu für mich besten Zeiten, später mit Weser-City mehrmals täglich. Noch später gab es eine Weile die Möglichkeit, zwischen 6:20 und teureren 5:20 mit ICE zu wählen. Seit Wegfall des Weser-City und anderen Verschlechterungen bin ich trotz ICE wieder bei durchschnittlich 6:20 ... (von für mich unattraktiven Tagesrandverbindungen mal abgesehen). Eine verbesserte Anbindung Bremerhavens durch den Ocean Park ist eine zwischen den Zeilen zu findende Hoffnung von mir...

Mit freundlichen Grüßen

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